5:00 Uhr und der Wecker klingelt. Noch ist es draußen dunkel, doch das wird sich in der nächsten Stunde ändern. Wie jeden Morgen geht um 6:00 Uhr die Sonne auf, während ich nach dem Aufstehen, Anziehen und zum Kinderhaus Gehen, schon mit den Kindern um den Palast laufe. Gewöhnungsbedürftig ist dieser Tagesrhythmus, der sich ziemlich genau in 12 Stunden Tag und 12 Stunden Nacht teilt. Mit Sicherheit, sobald man sich eingelebt hat, ist er aber erträglich und mit Sicherheit auch nicht schlecht fürs Studium oder die Arbeit. Nach dem Laufen, das sich mittlerweile auf zwei Runden um den Palast verlängert hat, ist den Kindern, die mitgelaufen sind, wenigstens nicht mehr kalt, denn ungefähr seit Mitte November wird es auch in Kamerun kälter als noch im Oktober. Diese Kälte ist natürlich nicht mit der in Deutschland zu vergleichen, aber auch 18°C setzen den Kindern hier schon zu. Deshalb stehen sie morgens schon alle frierend auf dem Gelände des Kinderhauses oder liegen noch in ihren Betten, wenn Frau Scheiner und ich dort zwischen 5.45 Uhr und 6.00 Uhr eintreffen.
Nach den zwei Runden wird zunächst das Zähneputzen geregelt. Auch für mich sind die Rituale im Kinderhaus, wie das Zähneputzen, das Aufräumen und das Fertigmachen für die Schule, schon mehr oder weniger zur Routine geworden. Obwohl natürlich jeder Morgen auch seine eigenen Herausforderungen mit sich bringt. Ob es eine neue Streitigkeit zwischen Kindern, ein kaputter Rucksack oder eine Verletzung ist und manchmal auch ein neues Kind, das ins Kinderhaus aufgenommen werden will. Ich glaube es gab noch nicht einen Tag, an dem nichts Besonderes passiert ist, sondern einfach mal ohne viel Geschrei oder Gestreite gegessen oder gespielt wurde. Davon ist auch der Morgen keine Ausnahme. Trotz Müdigkeit haben alle Kinder schon genug Energie, um sich zu zanken oder eine beeindruckende Lautstärke an den Tag zu legen.
Es ist aber hingegen auch erstaunlich zu sehen, wie die Kinder die notwendigen morgendlichen Arbeiten selbst regeln. Da sieht man zwei Mädchen, die den Hof fegen, zwei andere, die die Straße fegen, drei Jungens schnappen sich die Wassereimer, um die Blumen zu gießen, weitere zwei müssen die Wasserbehälter zum Trinken füllen, außerdem sind zwei Mädchen damit beschäftigt, die riesengroßen Kochtöpfe mit Sand zu schrubben. Andere wiederum holen die Bänke aus dem Refektorium, um das Frühstückskarrée zum Sitzen fertig zu stellen. Die Kinder nutzen ihre Energie also auch produktiv und ohne, dass man sie die ganze Zeit dazu antreiben muss, obwohl es zwischen den Kindern auch gravierende Unterschiede gibt, was die Arbeitsbereitschaft angeht.
Sobald die Kinder dann in die Schule entlassen sind, wende ich mich allem zu, was ansonsten in meiner Behausung und nach meinem Tagesplan ansteht. Also das Gymnasium besuchen, Wäsche waschen, Einkaufen gehen, die Wohnung in Ordnung bringen oder auch Berichte schreiben. All das nimmt natürlich auch Zeit in Anspruch, sodass ich jeden Tag immer recht viel zu tun habe. Von morgens bis abends ist es also, wenn auch zum Glück nicht immer, ein 14 oder 15 Stunden Arbeitstag. Zumal viele Aufgaben hier sehr viel mehr Zeit erfordern als in Deutschland. Z.B. das Wäsche waschen braucht hier in Afrika einiges an Zeit und Übung, da wir natürlich keine Waschmaschine besitzen. Also wird von Hand gewaschen, was mir mittlerweile jedoch keine Probleme mehr bereitet. Allerdings ist nach jeder Wäsche eigentlich sofort eine Dusche von Nöten, da das Waschen sehr schweißtreibend ist. Im Vergleich zum Beginn der Reise werden meine weißen Kleidungsstücke, nach einem Monat der Übung, sogar wieder recht weiß. So wie ich mich daran gewöhnt habe, meine Wäsche von Hand zu waschen, so habe ich mir auch angewöhnt, sofort nach dem Essen mein Geschirr abzuspülen, da es sonst nur sehr viel mehr Arbeit bedeutet. „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“ ist mehr und mehr mein Credo geworden.
Diese Art von voraus schauendem Denken ist hier überlebenswichtig, da einem sonst alles über den Kopf wächst. Zum Glück habe ich in Frau Scheiner aber eine mahnende Stimme, die mich zwar oft zurecht stubsen muss, doch mir dabei natürlich auch immer etwas beibringt. So auch das Wirtschaften mit allem, was wir in die Finger bekommen. Keine Plastiktüte wird achtlos in den Müll geworfen und jede Plastikflasche wird ausgewaschen, um den kalten Tee hinein zu füllen und in der Teekanne neuen Tee aufzugießen, solange Wasser und Strom vorhanden sind. Abgesehen davon ist das Essen natürlich auch ein wichtiger Bestandteil des Lebens. Die Kameruner sind immer am Essen. Immer. Ganz egal wo und in welcher Situation: es wird immer gegessen. An sich ist das eine Mentalität, die mir sehr zusagt. Aber ich habe gelernt, dass dieser Lebensstil nur schwer zu verwirklichen ist, wenn man nicht all sein Geld nur für Essen ausgeben oder seine gesamte Zeit mit der Zubereitung des Essens verbringen will. Nach einem Monat in Rey Bouba fällt mir bei mir selbst auf, dass ich immer, sobald ich etwas zu essen in die Hand nehme, schon darüber nachdenke, ob Frau Scheiner mich wieder verständnislos ansehen und sagen wird, es sei unmöglich, dass ich schon wieder Hunger hätte. Dieses Wirtschaften mit Nahrungsmitteln, und auch allem anderen, hat aber viele Vorteile. Durch das Warten und die Vorfreude wird mir der Wert vieler Dinge bewusster, und deshalb kann ich sie ganz anders genießen, als noch zu Beginn meiner Reise. Als wir noch in Maroua waren, hat Frau Scheiner bei vielen Dingen gesagt, ich solle sie genießen, da wir sie in Rey Bouba mit Sicherheit nicht mehr haben würden. Und sie hatte natürlich recht damit. Aber es ist etwas ganz anderes, so etwas zu lesen oder gesagt zu bekommen, oder es am eigenen Leib zu erfahren. Als Stadtkind, das ich nun mal bin, bin ich daran gewöhnt, ca. 200m von meinem Haus entfernt einen Supermarkt zu haben, der alles fein säuberlich in seinen Regalen liegen hat, was man sich wünscht, und dass das alles nur darauf wartet, von mir gekauft zu werden. Doch nach gut einem Monat in Rey Bouba freue ich mich schon über Dinge, über die ich in Deutschland nicht im Entferntesten nachgedacht hätte. Eine Banane oder eine Mandarine zum Beispiel lösen bei mir, anders als zu Beginn meiner Reise, sofort den Gedanken aus: „Lass es lieber liegen, wer weiß, wann du neue besorgen kannst, oder ob du heute Abend nicht vielleicht viel mehr Hunger und Lust darauf hast“. Auf so eine Idee wäre ich in Deutschland, vor meiner Reise, muss ich gestehen, nicht gekommen. Allerdings glaube ich, werden mich diese Erfahrungen auch nach meiner Reise nicht mehr verlassen, sodass ich selbst beim Betätigen des Lichtschalters denke: „Gut, dass ich gerade Strom habe. Nutze ich ihn lieber, solange er da ist“, oder bei laufendem Wasser erst mal nachsehe, ob die Notration von einem Wassereimer vorhanden ist. Den Wassereimer werde ich zwar in Deutschland nicht auffüllen müssen, aber ich werde anders mit den Gütern Strom, Wasser, Nahrung und auch Geld umgehen.
Schon vor Antritt meiner Reise, also während meiner Schulzeit, hätte ich mich als sparsam bezeichnet. Nachdem ich das Geld, das ich für meine Zeit in Kamerun mitgenommen hatte, getauscht habe, habe ich mir theoretisch ausgerechnet, wie viel Geld mir pro Tag zur Verfügung stehen würde, wenn ich meine gesamt Barschaft ausgeben würde, und was wohl vernünftig wäre. Mittlerweile habe ich diese Gedanken jedoch völlig abgelegt, denn ich habe festgestellt, dass ich bei einem Einkauf zunächst einmal überlege: „Will ich es nur, oder brauche ich es wirklich“. Häufig lasse ich dann vom Kauf ab, weil ich feststelle, dass ich zwar Lust darauf hätte, jetzt z.B. etwas zu essen, aber es nicht wirklich nötig ist. Also hat sich meine Sparsamkeit quasi auf das Nötigste gesteigert. Dazu ist natürlich auch zu sagen, dass ich im Kinderhaus die nötigen Mahlzeiten erhalte, und mich somit nicht um meine Grundversorgung kümmern muss. Auch Gebrauchsgüter wie Klopapier und dergleichen werden mir zur Verfügung gestellt, sodass ich es nicht von meinem Geld besorgen muss. Darüber hinaus bringt uns der Hausmeister Ibrahima auch hin und wieder Obst oder etwas anderes zu Essen vorbei. Unsere Versorgungslage ist also gesichert, sodass wir unser Geld nicht wirklich dafür anrühren müssen. Trotzdem geht das Ersparte und Gespendete von Frau Scheiner so langsam zur Neige, da der Lamido noch nicht seinen finanziellen Anteil, nämlich eine Million Francs für das Kinderhaus, bezahlt hat, was uns enorme, finanzielle Schwierigkeiten einbringt.
Obwohl ich selbst zwar noch nicht allzu viel Geld ausgegeben habe, war ich bisher an fast jedem Freitag auf dem Markt. Zunächst immer mit Ibrahima, um für das Kinderhaus einzukaufen, jetzt aber auch schon alleine, um etwas für den Haushalt zu besorgen. Für den Haushalt brauchten wir unter anderem eine Lampe, einen Pinsel, eine Schüssel und Reiszwecken. Also bin ich auf den Markt gegangen und hatte das erste Mal Zeit, ihn mir genauer anzusehen und herauszufinden, was es alles gibt. Das erste, was auffällt wenn man auf den Markt von Rey Bouba geht, ist, dass er unglaublich dreckig ist. Die Wege sind voll von Müll, Dreck und Essensresten. Wenn man davon absieht, ist der Markt zwar nicht sonderlich appetitlich, dafür aber groß und voll. Es sind grob geschätzt 60 – 80 Stände und sehr viele Besucher auf dem Markt. Die Stände sind allerdings meist einfach nur Decken auf dem Boden, oder der Boden selbst, auf dem Waren ausgebreitet sind. Bei meinem Einkauf habe ich festgestellt, dass manche Läden nur bestimmte Waren verkaufen, und andere wiederum ein buntes und, scheinbar zusammen gewürfeltes, Sammelsurium an Verkaufsgegenständen besitzen. Das macht es umso schwerer, etwas zu finden, wenn man sich nicht wirklich auskennt. Bei meiner Einkaufssafari hatte ich zum Glück nach dem Rat von Frau Scheiner die kaputte Lampe dabei, sodass ich diese vorzeigen konnte und somit zum richtigen Laden geschickt wurde. Nachdem ich diese besorgt hatte, ging es weiter zu den Schüsseln. Einen Laden, der Schüsseln verkauft, kann man sich wie folgt vorstellen: Ein Stück des Wegesrandes ist unglaublich bunt, weil dort Plastikschüsseln in allen Farben und Formen gestapelt sind. Diese Schüsseln sind wirklich alle aus Plastik. Metallschüsseln oder richtige Töpfe gibt es nur an ein oder zwei Stellen auf dem Markt. Ich war mit Ibrahima schon mal bei einem solchem Plastikschüsselstand, sodass ich wusste, wo ich hin muss und der Verkäufer hat mir auch noch einen kleinen Rabatt gegeben. Nach der Schüssel wollte ich zunächst die Reiszwecken besorgen, habe diese allerdings trotz langer Suche nirgends wo gefunden. Bei jedem Stand, bei dem ich nachgefragt habe, hat man mich leider mit leeren Händen wieder weg geschickt. Das nächste Mal nehme ich ein Muster mit, um mich besser verständlich zu machen. Aber dafür hatte ich die Gelegenheit, mir den Markt komplett anzusehen. Bisher hatte ich nur die Verkaufsstände gesehen, die Gemüse und Gewürze verkaufen, doch sobald man an diesen vorbeigegangen ist, kommt man z.B. zu den Bratständen, bei denen Fleisch auf alten Gittern gebraten wird. Dahinter befinden sich noch ein Schneider und ein Topfverkäufer. Auch eine Art Bar, die wohl gleichzeitig ein Bordell ist, ist am Ende des Marktes zu finden. Außerdem gibt es sogar ein Kino, das ich allerdings noch nicht gesehen habe. Frau Scheiner hat mir nur davon berichtet. Doch nirgendwo habe ich die heiß begehrten Reiszwecken finden können. Wir wollten nämlich mit diesen an den Fenstern des Kinderhauses Mückengitter anbringen, die wir aus zerrissenen Mückennetzen zurecht geschnitten haben. Diese Gitter sind zwar als große Mückennetze nicht mehr zu gebrauchen, aber es war zumindest möglich, fenstergroße, heile Stücke heraus zu schneiden. Ich bin immer wieder überrascht, was Frau Scheiner aus scheinbar nutzlosen und kaputten Sachen so alles Zaubern kann.
Als ich auf dem Markt zum fünften Mal an einem Stand vorbeigelaufen war, der sowohl Geräte mit Akkus auflädt, als auch z.B. Musik auf MP3-Player spielt, weil hier natürlich niemand einen Computer besitzt, sprach mich der Junge, der hinter dem PC saß, an. Wie sich herausstellte, war er ein Schüler des Gymnasiums, und hätte vermutlich beim Unterricht sein sollen, jedoch kam mir sehr gelegen, dass er geschwänzt hat, denn ich habe ihn gefragt, ob er mir zeigen könne, wo es Pinsel gibt und tatsächlich wusste er mir zu helfen. In dem Laden hat man mir aber erst einmal nicht den Pinsel gezeigt, den ich haben wollte. Es war gut, dass Frau Scheiner zuvor in unserer Behausung eine Zeichnung des fraglichen Pinsels für den Hausmeister angefertigt hat. Deswegen wusste ich genau, was ich finden wollte. Nach einigem Hin und Her hat der Verkäufer endlich das ersehnte Stück aus irgendeiner Ecke des Kramladens hervor gezaubert. So habe ich meine ersten Markterfahrungen als recht erfolgreich verbuchen können.
Neben dem Schüler habe ich auch noch andere Menschen getroffen, die ich bereits kannte. Eine recht korpulente Frau, die direkt am Rand des Marktes Essen verkauft, geht z.B. jeden Sonntag in die christliche Kirche und ist dort eine der Vorsängerinnen. Dadurch, dass ich bisher fast jeden Sonntag in der Kirche war, kannte ich sie schon.
Die christliche Kirche ist nämlich sehr klein und so fiel es mir nicht schwer, schnell ein paar Leute kennen zu lernen. Die Größe der Gemeinde liegt bei gut 100 Menschen, die sich in dieser Gegend zum christlichen Glauben bekennen. Es hat mich ohnehin überrascht, dass es eine christliche Gemeinde in Rey Bouba gibt, da die Region doch stark muslimisch geprägt ist. Da der christliche Glaube in der Region recht schwach vertreten ist, konnte bisher auch nicht genug Geld für den Kirchenbau gesammelt werden. Bisher sind die Mauern der Kirche ca. 2m hoch und die Bänke bestehen aus aufgestapelten, selbst hergestellten Hohlblocksteinen. Der Altar ist ebenfalls nur eine Art Steinhaufen, auf dem eine Decke ausgebreitet wird. Ein Dach im eigentlichen Sinne gibt es auch noch nicht, da die Mauern ja noch nicht fertig sind. Deshalb wurde innerhalb der Mauern eine Art Bungalow aus einem Astgestänge und daraufgelegten Bastmatten gebastelt. Aus diesem Grund gab es am 11.11.2012 ein großes Fest des Tempels, also einen Gottesdienst mit gleichzeitiger Spendensammlung. Zu diesem Anlass wurde auch ein Pfarrer aus einem anderen Bezirk eingeladen, der die Predigt gehalten hat. Die besagte Feier dauerte insgesamt 5 Stunden, anstatt der 2 Stunden, die der normale Gottesdienst am Sonntag in Anspruch nimmt. Diese lange Zeit kam dadurch zustande, dass ein Spendenfest nach einem bestimmten Muster abläuft. Alle in der Kirchengemeinde vertretenen, ethnischen Gruppen werden einzeln aufgerufen und stimmen ein Lied an. Zu diesem Lied gehen sie dann im Takt nach vorne zum Altar und bringen ihr Opfer dar. Es gab insgesamt 12 Gruppen (darunter auch die Gruppe der Besucher, zu der ich gehörte), die eine Spende darbrachten. Ich fand es sehr beeindruckend, dass so viele unterschiedliche ethnische Gruppen sich treffen, und zusammen jede Woche einen Gottesdienst feiern und das auch noch in einem Glauben, der in Rey Bouba sonst sehr gering vertreten ist. Obwohl darüber keine genauen Zahlen und Daten vorhanden sind, heißt es, dass der Norden eher muslimisch geprägt ist. Einhellig wird aber auch die Meinung vertreten, dass sich die Religionen nicht bekämpfen, sondern friedlich miteinander leben. Religiöser Fanatismus ist mir nicht aufgefallen.
Um die Kirche weiter zu bauen, werden 50 Säcke Zement für jeweils 8.000 CFrc benötigt. Also insgesamt eine Menge von 400.000 CFrc. Umgerechnet sind das 610,69€. Diese Summe ist für eine Gemeinde, deren Mitglieder zumeist fast nichts besitzen, nicht leicht zu verdauen. Doch nach einem 4 Stunden Gottesdienst, dem noch eine Stunde mit Trinken, Essen und Konversation folgte, war eine Summe von 475.000 CFrc, also mehr als mindestens benötigt, zusammengekommen. Das Fest des Tempels war also ein Erfolg und die Kirche wird hoffentlich bald weitergebaut. Das abschließende Essen bestand aus Erdnüssen und den so genannten Kroketten (unterschiedlich zuckeriger Teig, der in Öl gebraten wird). Dazu gab es noch Süßgetränke, die wirklich etwas sehr besonderes und vor allem teures sind. Deshalb wurde das Mahl von allen Anwesenden auch sehr genossen.
In der Zeit, die ich in Kamerun bisher verbracht habe, habe ich aber auch schon das ein oder andere Mahl in unserer Behausung genossen. Die bisherigen Empfehlungen des „Restaurants Rey Bouba“ sind folgende:
Der Avocado-Burger:
Ich hatte vor meiner Reise noch keine Avocado-Frucht gegessen. Burger war mir als Stadtkind allerdings ein Begriff. Der Avocado-Burger ist ein ganz besonderer Leckerbissen, den ich der Restaurantkette „Mutter’s Küche“ durchaus empfehlen würde. Zur Zubereitung benötigt man lediglich ein Brötchen aus weißem Teig, das absolut keinen Nährwert besitzt und ein oder 2 sehr reife, butterweiche Avocados, bei denen, wenn man sie schüttelt, der Kern rasselt. Diese scheidet man dann in Hälften, der Kern löst sich von selbst, die braune Haut über dem Kern lässt sich leicht abziehen und dann löffelt man die beiden Hälften aus. Doch das ist mit Vorsicht auszuführen, denn wenn man zu stark den Löffel einsetzt, zerreißt man die hauchdünne Schale der Frucht. Die cremweiche, grüne Fruchtmasse schmiert man dann auf das Brötchen. Wenn man viel Glück hat, findet sich im „Restaurant Rey Bouba“ auch noch eine Limone oder Zitrone. Diese sollte über die ganze Innenfläche des Burgers geträufelt werden, damit ein pikanter Geschmack entsteht. Den Pfeffer und das Salz muss man sich einbilden. Dann ist der Burger à la „Restaurant Rey Bouba“ nach dem Kochbuch von Frau Scheiner fertig. Ich habe dieses Gericht schon mehrmals verzehrt und bin bisher jedes Mal äußerst zufrieden gewesen.
Würstchen auf Papaya:
Ein etwas ausgefallenes Gericht, welches aber trotzdem gut schmeckt. Wie der Name schon vermuten lässt, sind die Zutaten Würstchen (aus der Dose, datumsfrisch abgelaufen und ohne Haut), die ich als Notration von Mme Tokur in Maroua erhalten habe, weil diese befürchtete, ich könnte in Rey Bouba verhungern. Die zweite Zutat ist eine reife Papaya. Die Papaya wird gewaschen, geschält und in Stücke geschnitten. Dann werden die Stücke auf dem einzigen Teller, den wir im Haus haben, angerichtet und mit Gabeln verspeist. Zwischen den Papayastücken nimmt man hin und wieder ein Würstchen aus der Dose zu sich. Ein Gericht, das der Gewöhnung bedarf, aber nichts desto trotz gut meinen Magen gefüllt hat, weil Frau Scheiner die Würstchen verschmähte..
Kakao:
Ein Getränk, welches sich auch in anderen Ländern hoher Beliebtheit erfreut. Im „Restaurant Rey Bouba“ ist die Zubereitung allerdings etwas anders, als man es eventuell gewohnt ist. Benötigt wird für die Zubereitung heißes Wasser (vernünftig abgekocht und nur dann möglich, wenn wir Strom haben), Milchpulver und billigen Schoko-Brotaufstrich, der an sich nicht wirklich zu genießen ist, da er einfach nur unglaublich süß schmeckt. Im heißen Wasser wird, durch langwieriges Rühren der öligen Kakaomasse, der Brotaufstrich irgendwann einmal aufgelöst und dann mit heißem Wasser und Milchpulver aufgegossen. Den Brotaufstrich hatten wir aber nur, weil Frau Scheiner für die Kinder des Kinderhauses mal etwas süßes kaufen wollte, und ein kleiner Rest in dem „Nutella“Eimer übrig blieb, den die Kinder zwar sicherlich gerne noch gegessen hätten, den man aber schwer durch 30 hätte teilen können. Somit wanderte er in unsere Behausung. Nach all der Arbeit, die Frau Scheiner knapp eine Stunde Rühren gekostet hat, kommt ein sehr leckerer Kakao, der es gut mit dem heimischen aufnehmen kann, dabei heraus.
Ich habe im Restaurant „Rey Bouba“ zwar noch mehr Ausgefallenes und auch Leckeres gegessen, allerdings sind diese beschriebenen Gerichte wohl die, die am heraus stechendsten sind. Ich habe zum Beispiel auch dabei zugesehen, wie besondere Leckerbissen verspeist wurden, die ich mir selbst nicht gönnen wollte. So zum Beispiel kleine, gebratene Vogelbabys mit Kopf, die Frau Scheiner mal probieren wollte. Sie hat die Vögel dann aber an einen, neben uns sitzenden Kameruner weiter gegeben, da an den Vögeln überhaupt kein Fleisch sondern nur das Gerippe dran war. Der Kameruner hat die Vögel genüsslich verspeist.
Ich bin mir nicht mal sicher, ob sie ihm geschmeckt haben, aber wenigstens hatte er durch das Essen etwas zu tun. Denn Kameruner essen nicht nur, weil sie Hunger haben, sondern immer und überall, weil sie Zeit haben. Sie haben Zeit, mit der sie nichts anzufangen wissen. Hauptsächlich warten sie darauf, dass etwas passiert. Das kann eine Verabredung sein, die sich verspätet, oder ein anderer Termin. Der Platz vor dem Palast des Lamido ist ein besonderer Warteplatz. Dort warten alle, die eine Audienz beim Lamido haben wollen, bis sie hineingerufen werden. Frau Scheiner und ich sollten, zusammen mit den Kindern, auch eine Audienz haben. Diese sollte am Samstag den 17.11.2012 stattfinden. Angesetzt war die Audienz für 10 Uhr. Sie wurde dann, während wir noch die Vorbereitungen trafen, auf 11 Uhr verschoben. Von 11 bis 12 haben wir dann im Kinderhaus gewartet, um nicht auf dem von Müll übersäten Palastvorplatz warten zu müssen. Um 12 sind wir dann doch dorthin gegangen, weil uns gesagt wurde, dass wir bald empfangen werden würden. Nach einer weiteren Stunde Warten mit ungeduldigen und aufgedrehten Kindern, habe ich den Tee aus unserer Behausung organisiert, da durch die Trockenheit, den Staub und die Hitze unsere Hälse völlig ausgetrocknet waren. Nachdem wir daraufhin noch eine weitere Stunde auf dem Palastvorplatz gewartet haben und vor uns hin brieten, ist Frau Scheiner, die zwischenzeitig schon im Palast angerufen und eine Mail an den Lamido geschrieben hatte, dann um 14 Uhr der Geduldsfaden gerissen, und sie hat die Kinder nach Hause geschickt. Wir sind daraufhin auch nach Hause gegangen und ich war schon mittags völlig entkräftet vom Vormittag. Frau Scheiner’s frühere Berichte über die Beamten in Rey Bouba und auch im sonstigen Kamerun, die sich für so wichtig halten, dass sie alle anderen warten lassen können, haben sich hiermit noch einmal bestätigt, denn es hat niemand für nötig erachtet, uns zu sagen, dass wir noch mehrere Stunden warten müssen. Die einzige Information, die wir bekamen war schlichtweg : Es dauert noch ein bisschen, gedulden Sie sich.
Ein bisschen hat es auch gedauert, bis ich den Lamido endlich mal persönlich getroffen habe. Unsere erste Begegnung war eher zufällig, da er, entgegen aller üblichen Rituale und Gewohnheiten, im Palasteingang aufgetaucht ist, während wir gerade daran vorbeigingen. Er hats ich ein Bauvorhaben angeschaut, das Ausserhalb derPalastmauern fr die Palastschranzen gebaut wird. Er war im Gefolge von 7 kleinen Mädchen und Jungen zwischen 2 und 4 Jahre alt. Ich muss sagen, er macht Eindruck. Er ist groß, hat eine ruhige, tiefe Stimme und eine gute Haltung. Er hat auch sehr nett mit uns gesprochen und gelächelt. Wenn man ihn so sieht, könnte man meinen, er sei ein absolut toller und netter Herrscher. Wenn man allerdings all die Probleme in Rey Bouba mit eigenen Augen sieht, dann kommt man schnell zu einer anderen Einschätzung. „Er ist ein Meister im Geldbeschaffen, und will erreichen, dass alle um ihn herum alles bezahlen“ ist ein Satz, den Frau Scheiner schon des Öfteren gesagt hat. Probleme gibt es genug in Rey Bouba und der Lamido sollte sich diesen Problemen widmen, wenn er seine Machtposition behalten und festigen will.
Dafür, dass ich eigentlich davon ausgegangen bin, den Lamido zu treffen, sobald wir in Rey Bouba eintreffen, musste ich auch darauf sehr lange warten, denn die Hälfte meiner Zeit in Rey Bouba ist schon vorbei, und ich hatte immer noch keine Audienz mit dem Lamido. Ich habe aber das Gefühl, dass sich bei mir, auch wenn sich nichts mit dem Lamido tut, schon einiges getan hat und ich mich schon in vielerlei Hinsicht verändert habe. Auch, dass sich vor allem meine Ansichten und Gewohnheiten, was zum Beispiel das Einkaufen oder selbst das Trinken eines einfachen Glases Wasser angehen, stark geändert haben. Ein Schulfreund hat mir in einer Mail geschrieben, dass er glaubt, sich aufgrund meiner Berichte ein recht gutes Bild von meinem Leben hier machen zu können. Ohne ihm zu nahe treten zu wollen, glaube ich das allerdings weniger. Diese Berichte sind zwar realitätsgetreu und ich versuche alles so zu schildern, wie es mir erscheint, aber das Lesen dieser Berichte reicht keineswegs aus, um sich in meine Lage hineinversetzen zu können. Als ich mich zur Vorbereitung dieser Reise mit Frau Scheiner unterhalten und viele Informationen von ihr erhalten habe, hätte sie mir wohl nicht deutlicher darstellen können, wie schlimm die Verhältnisse hier sind und trotzdem ist meine persönliche Erfahrung noch etwas völlig anderes. Nach den Schilderungen, die ich zu hören bekam, habe ich mir versucht vorzustellen, wie es ist, in Rey Bouba zu sein. Währenddessen saß ich allerdings mit einer warmen Tasse Tee auf einem gemütlichen Sofa und habe mich bei elektrischem Licht diesen Gedanken hingegeben. Vielleicht sogar noch etwas gegessen und trotz meiner Gedanken nicht daran gedacht, dass alles, was ich in diesem Moment um mich hatte, absoluter Luxus sein wird. Jeder möge mal versuchen, sich einen Tag lang vorzustellen, was ihm alles fehlen würde, wenn er weder Strom, noch Wasser, noch eine Einkaufsmöglichkeit hätte und an diesem Tag trotzdem noch einen vollen Arbeitstag bestehen müsste.
Ich kann nur jedem empfehlen, einmal eine solche Reise zu machen, um selbst diese Erfahrung machen zu können, denn bisher muss ich sagen: es ist ab und an schwer, aber es lohnt sich. Es klingt immer sehr nach einer Floskel, aber diese Reise war bisher wirklich verändernd für mich. Wie weit sie mein weiteres Leben beeinträchtigen wird, ist jetzt natürlich noch nicht zu sagen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich sie nicht so schnell vergessen werde und mir die Erfahrungen der Reise auch im weitern Leben weiterhelfen werden.
Im Rückblick erscheint mir die vergangene Zeit unglaublich kurz, obwohl ich zwischendurch schon Zweifel daran hatte, ob ich überhaupt den Rest durchhalte. Ich hoffe, dass die zweite Hälfte der Reise genauso interessant, spannend und lehrreich sein wird, wie die Erste.