Frau Scheiner inmitten einer Gruppe kamerunischer Frauen auf dem Gelände des Frauenzentrums in Maroua

Die Vorsitzende des Vereins afemdi-projekte Deutschland, Frau Elke Scheiner, ist zur Zeit in Kamerun, um die beiden Partnervereine AFEMDI-Maroua und Action Solidarité Rey Bouba (ASRB) zu besuchen. Im Folgenden beschreibt sie, wie ihr Tag fern von Zuhause beginnt.

Zwischen dem Gesang des Muezzin und dem ersten Hahnenschrei

Die Zeit zwischen 24 Uhr und 4 Uhr ist meine Tiefschlafzeit. Ich wache kurz vor dem Gesang des Muezzin auf, der gegen 4:30 Uhr zu singen beginnt. Ich weiß immer noch nicht, ob es ein authentischer Gesang oder eine CD ist; der Gesang ist von Tag zu Tag unterschiedlich. Mal kommt er von weit her, nähert sich allmählich und lullt mich ein, mal ist er von Anbeginn kräftig und bestimmend, so als ob eine Geschichte erzählt wird.

Und dann ist es plötzlich still. Still, bis zu dem Zeitpunkt, wenn die Hähne zu krähen anfangen. Diese Stille ist total entspannend, es ist auch immer noch morgenfrisch bis circa 6:30 Uhr oder 7:00 Uhr. Ein Zeitraum, um wieder wegzudösen. Ich bin immer noch von der Hitze der Nacht umhüllt, die Kopfdecke glüht.

Action auf der Straße

Kinder spielen auf einem Sandhaufen

Manchmal gönne ich mir den Luxus und höre mir das Toben der Kinder auf der Straße an, das nach dem ersten Hahnenschrei wie eine wuchtige Welle die Gasse rauf und runter rauscht. Nichts ist zu verstehen. Die ganze Gasse ist voll von jungen Stimmen. Meistens nur Jungens, denn die Mädchen, so klein sie auch sein mögen, haben Aufgaben im Haushalt. Die Kinder balgen sich, sie haben einen Ball oder ein Rad, alle jagen hinter irgendetwas her, einer ist immer der Boss mit der lautesten Stimme oder dem schnellsten Lauf. Ein unverständliches Kauderwelsch-Geschrei selbst für die Beteiligten, sie wollen ja alle nur dabei sein und ihre Kindheit austoben.

Und schlagartig, nach einer halben Stunde, ist auch dieser Geräuschpegel weg. Diese Kinder sind keine Schulkinder, ihre Eltern haben kein Geld für das Schulgeld. Es sind Kinder der Straße, die zuhauf hinter irgendeiner Tür in der Nähe plötzlich verschwinden, wo ein Koranlehrer für zwei Stunden etwas Koran- oder Allgemeinunterricht erteilt. Ich lebe hier in einem rein muslimischen Viertel.

Um die Uhrzeit des Muezzin rühren sich auch die Mädchen des Haushalts, in dem ich lebe. Sie fegen den Hof, räumen Geschirr vom Nachtessen weg, heute begannen sie Kaffee zu kochen für Hamadou, der um 7:30 Uhr zum Frühstück kommen wollte, bevor er in die Klinik zum Unterricht fährt. Wir wollten heute gemeinsam frühstücken, das heißt, eine Cousine und er auf dem Teppich und ich auf meiner Bank, ohne die Mädchen und das Kleinkind, später sollte die andere Cousine mit dem anderen Kleinkind dazu kommen, die dann gemeinsam frühstücken wollten. Die eine Cousine spricht seitdem ununterbrochen.

Joghurt und Mangos zum Frühstück

Die Beignets aus der Nachbarschaft sind bereits geliefert oder geholt. Auch für Mme Toukour, (Vorsitzende des Partnervereins AFEMDI-Maroua), die im nahegelegenen islamischen Krankenhaus liegt, ist bereits die Frühstückstasche gepackt. Der Zitronengras-Tee ist für mich gekocht. Ich finde „Milch“ im Kühlschrank, oder besser gesagt zu Joghurt gegorene Milch. Ich nehme vier Beignet-Kringel zu mir, mache mir dann aber mein Frühstück mit Joghurt und zwei reifen Mangos. Das Kleinkind lehnt das Obst ab und isst lieber die fettigen Kringel.

Hätte ich heute früh nicht das Treffen zum Frühstück mit einer Besprechung zum Tagesablauf und Tagespensum, wäre ich sicherlich tief eingeschlafen bis gegen 9:00 Uhr oder  10:00 Uhr. Es ist auch die Zeit der Träume, an die ich mich erinnern kann. Was ich in der Nacht zwischen 24:00 Uhr und 4:00 Uhr träume, weiß ich nicht, und auch nicht, ob ich überhaupt träume. Die täglichen Eindrücke erschlagen mich.

Elke Scheiner