Wer weiß schon, was morgen geschehen wird? Eine Frage, die ich mir auf meiner 3 monatigen Reise häufig gestellt habe. Mit Sicherheit lässt sich zumindest schon mal sagen, dass ich es nicht weiß.

Insgesamt 12 Wochen in Kamerun und davon 10 in Rey Bouba haben deutliche Spuren an mir hinterlassen. Sowohl gute, als auch schlechte. So habe ich beispielsweise in den drei Monaten vier Kilogramm und eine große Menge von Haaren verloren, die aber hoffentlich wieder nachwachsen werden. Ich habe aber auch in einer völlig fremden Umgebung Menschen kennen gelernt, mit denen ich sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht. So hat mich zum Beispiel der Vize-Präsident des Gymnasiums zu sich nach Hause zum Essen eingeladen und mit mir lange über die Situation in Rey Bouba und seine Ansichten geredet, was mir sehr eindrücklich in Erinnerung geblieben ist und wofür ich ihm auch sehr dankbar bin. Auf der anderen Seite habe ich allerdings z.B. auch einen kamerunischen Hitlerfan kennen gelernt, der wollte, dass ich ihm sein Essen auf dem Markt bezahle. Ich habe nach und nach wenigstens ein bisschen gelernt, von welchen Gestalten ich mich fern halten und welche Verhaltensweisen ich besser unterlassen sollte, wenn ich nicht in unangenehme Situationen geraten möchte.Doch trotz der Zeit, die ich zum Einleben hatte, hat es jeder neue Tag geschafft, mir vor Augen zu führen, dass ich in Rey Bouba zwar Pläne machen kann, diese aber häufig über den Haufen geworfen werden müssen, da sich an jedem neuen Tag auch eine ganz andere Situation darbieten kann als am vorhergehenden. So werden geplante Besuche kurzfristig abgesagt, Termine verschoben und eigentlich geplante Ausflüge fallen scheinbar ganz ins Wasser. So etwas passiert natürlich auch in Deutschland, doch sind die Ausmaße, in denen es in Kamerun an der Tagesordnung liegt, völlig andere. Jeder Tag fordert, dass man sich ihm fügt und einfach das am Tag erledigt, was konkret anliegt, und vorher gemachte Pläne nur dann in die Tat umsetzt, wenn sich dafür wirklich eine Möglichkeit ergibt. Erzwingen kann man hier nichts. Anpassungsbereitschaft an die täglich wechselnden Umstände, wie auch an die allgemeine Situation in Rey Bouba ist Pflicht, wenn man den Kopf über Wasser halten möchte. Diese Herausforderung habe ich nun gemeistert, bin hin und wieder an Schwierigkeiten hängen geblieben, an ihnen gewachsen und nicht ganz ohne sie wieder nach Hause gekommen. Denn selbst die Heimreise barg einige Schwierigkeiten, die mir jedoch auch wieder wertvolle Erfahrungen brachten.

Abschied von Frau Scheiner habe ich schon am 29.12.2012 genommen, da sie, nachdem sie mich nach Garoua und dort an den Flughafen gebracht hat, weiter nach Maroua gereist ist, während ich mich in entgegengesetzte Richtung nach Douala begab. Nach einigen Tagen, die ich dort verbracht habe, bin ich dann am 1.1.2013 wieder zum Flughafen gefahren, um zunächst nach Addis Abeba und im Anschluss direkt nach Deutschland zu fliegen. Ich war schon froh, dass es mir gelungen war, den Check-In auf Französisch zu meistern, als ich mich auf dem letzten Weg zu meinem Gate befand. Das Gepäck war aufgegeben, die Security-Kontrollen lagen hinter mir und es musste nur noch der kleine Teil meines Tickets abgerissen werden, der mich zum Weitergehen autorisierte. Doch zu früh gefreut, denn der Kartenabreißer teilte mir mit, dass etwas mit meinem Gepäck nicht stimmen würde und ich doch bitte zurückgehen möge, um den Kontrolleuren meinen Koffer zu öffnen und den Inhalt zu erklären. Den ganzen Weg bis zum Gepäck spielte sich in meinem Kopf ein schlimmes Szenario nach dem Anderen ab, was sich wohl in meinem Koffer befinden könnte und welche Auswirkungen das auf meine Heimreise haben könnte. Angekommen in der Halle, in der sich das Gepäck stapelte, wurde mir mein Koffer ausgehändigt und ich wurde in einen kleinen Raum in der Mitte der Halle gebracht. Nachdem die Tür geschlossen war, baten mich die Frau und der Mann, die mit mir im Raum waren, meinen Koffer zu öffnen. Zum Vorschein kam, neben einigen Kleidungsstücken, ein zugeklebter Karton, den Frau Scheiner mir mit der Bitte gegeben hatte, ihn nach Deutschland zu transportieren. Meines Wissens nach befanden sich darin einige Holzfiguren. Nach dem Öffnen kamen allerdings Tonfiguren zum Vorschein. Die Figuren aus einfachem Ton wurden vom Mann im Raum begutachtet und er erzählte mir, es sei illegal, diese Materialien auszuführen, da sie zu den Schätzen von Kamerun gehörten. Gedroht hat er mir daraufhin mit einem Besuch beim „Offizier“, internationalem Reiseverbot und sogar Gefängnisaufenthalt. Trotz des Umstands, dass die Figuren offensichtlich keineswegs illegales Exportgut darstellten, versetzten mich seine Ausführungen ein wenig in Panik. Ich hätte es noch verstanden, wenn er sich wegen eines mitgenommenen Säbels und eines Messers, mit denen die Dogaris in Rey Bouba als Zeichen ihrer Würde ausgestattet sind, aufgeregt hätte. Doch, „nett“ wie er war, bot er mir an, den Vorfall zu vergessen, wenn ich ihm ein wenig Geld gäbe. Von diesem Punkt an veränderte sich meine Panik immer mehr in Wut. Nachdem er 50.000 Franc (75 €) dafür verlangt hatte, mich laufen zu lassen, fragte ich ihn, ob ich Probleme in Addis Abeba beim Zwischenlanden bekommen könne. Seine Antwort war, dass ich keine Probleme bekommen könne, da nur Kameruner wüssten, dass der Export dieser Figuren illegal sei. Von da an stand für mich fest, dass er mich einfach nur hinters Licht führen wollte. Doch trotz dieser Erkenntnis sah ich davon ab, ihn zu konfrontieren, da mir auf dem gesamten Flughafen sicherlich niemand geholfen hätte, sondern jeder, der gekommen wäre, ebenfalls die Hand aufgehalten und ich nur noch mehr bezahlt hätte. Nachdem das „Schweigegeld“ bezahlt war, durfte ich wieder zum Gate gehen und diesmal auch einchecken. Mein Versuch, währenddessen ein freundliches Gesicht zu machen, hat vermutlich nicht allzu gut geklappt, da ich extrem sauer auf die Mitarbeiter des Flughafens und die Korruption in Kamerun war, die ich schon zuvor erlebt hatte, deren Opfer ich jedoch nie selbst geworden war. Im Flugzeug habe ich dementsprechend noch über den Vorfall nachgedacht und eine Vermutung entwickelt, wieso man mich des illegalen Exports bezichtigen wollte. Beim Security-Check hat der Sicherheitsbeamte nämlich eine Ausbeulung in meiner Hosentasche bemerkt und wollte wissen, was sich darin befinde. Ich hatte mein restliches kamerunisches Geld in dieser Hosentasche verstaut und er bestand darauf, es zu sehen. Es war wohl so viel, dass er telefonisch seinen Kollegen Bescheid gesagt hat, dass sie doch mal nachsehen sollen, ob man in meinen Koffern irgendwas als illegal verkaufen könne, damit sie noch ein bisschen Geld an mir verdienen können. Einerseits bin ich natürlich wütend über diesen Zwischenfall, andererseits verstehe ich auch die Menschen in Kamerun, die ihre Familien ernähren wollen und dies mit dem offiziellen Lohn sehr häufig nicht mal ansatzweise können. Doch mit einer solch korrupten Gesellschaft wird Kamerun niemals einen besseren Standard für seine Bewohner oder das Land im Allgemeinen erreichen können. Doch zuletzt bin ich ja doch noch ins Flugzeug gekommen, welches mich nach Addis Abeba brachte, von wo ich dann, ohne weiter Probleme oder Zwischenfälle, nach Deutschland weiterreisen konnte.

Am 5.10.2012 bin ich voller Erwartungen und Vorstellungen in ein Flugzeug gestiegen, welches mich in eine fremde Welt bringen sollte, die ich zu erforschen und hoffentlich auch ein kleines bisschen zu ergründen suchte. 12 Wochen später und mit 2600 Fotos, 16 Malariaprophylachsetabletten und gefühlt mehrere hunderte kleiner Streitigkeiten zwischen den Kindern des Kinderhauses saß ich nun erneut in einem Flieger, der mich diesmal allerdings in gewohnte Gefilde brachte. Ein Résumée der Reise ist allerdings nicht ganz so einfach zu ziehen, da die Reise so eindrücklich und fassettenreich war, dass es schwer ist, sie einfach zusammenzufassen. All die kleinen Erlebnisse, die man vergisst, wenn man sie nicht aufschreibt, wie zum Beispiel den nachmittäglichen Besuch von Mass-Oudou, einem Jungen aus dem Kinderhaus bei Frau Scheiner und mir, der mit der Bitte nach Seife verbunden war, da die Kleider des Jungen völlig dreckig waren und er sonst nirgendwo Seife herbekommen könne – ein Bild, das in Deutschland für mich unvorstellbar wäre. Oder dem Auftauchen von Moussa und Hamidou, den beiden ältesten Jungen im Kinderhaus, die von Frau Scheiner Geld für den Besuch beim Friseur auf dem Markt haben wollten, weil sie nicht vom Hausmeister mit einer Rasierklinge wie üblich geschoren sein wollten. Oder dem Behandeln des verletzten und vereiterten großen Fußzehs von Bairo auf dem Sofa in unserem Wohnzimmer und noch so vielen Ereignissen mehr, dass es müßig wäre, sie alle aufzuschreiben, da ich sicherlich mehrere Wochen dafür brauchen würde. Doch viele Dinge stehen ja auch in meinen ersten Berichten. Deshalb möchte ich in diesem Abschlussbericht zunächst noch das Weihnachtsfest, das Frau Scheiner und ich mit den Kindern veranstaltet haben, beschreiben.

Schon mehr als einen Monat vor dem eigentlichen Fest gingen die Vorbereitungen los. Zumindest haben wir schon zu diesem Zeitpunkt angefangen, uns zu überlegen, wie wir die Fragen von Essen, Trinken und der Dekoration lösen. Anfang Dezember standen uns 12 eineinhalb Liter Flaschen Limonade aus dem Zuschuss des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen an das Kinderhaus zur Verfügung, deren Anzahl sich allerdings im Laufe des Monats seltsamerweise auf 6 reduzierte. Die Erklärung dafür lieferte der Hausmeister Ibrahima, der zwei Flaschen an Besucher ausgeschenkt und weitere vier selbst getrunken hatte. Zu dieser Zeit hatte er allerdings gerade sehr viele Probleme mit seinen Zähnen, einer musste ihm sogar gezogen werden. Die Wunde im Mund wurde im Anschluss einfach vernäht. Er glaubte seinen körperlichen Stress und den Schmerzen mit „Süßem“ begegnen zu können; aber Süßgetränke waren ganz eindeutig nicht das, was er zu sich nehmen sollte. Vor allem ist dazu auch noch zu sagen, dass es sich nicht um Cola, Fanta oder Sprite handelte, sondern um TOP-Grenadine. Das ist eine Marke, die ich bisher nur in Kamerun zu Gesicht bekommen habe, und die so unendlich viel Zucker enthält, dass es selbst mir, als großem Süßigkeiten-Fan, schwer fiel, mehr als ein Glas davon am Stück zu trinken. Für die Zahnverletzung des Hausmeister war diese Limonade natürlich reinstes Gift und so kam er einige Tage später zu Frau Scheiner mit der Klage, dass ihm seine Zähne so weh täten und er sich nicht erklären könne, warum. Frau Scheiner gab ihm Tramadol-Tabletten, für die Dauer von 5 Tagen je eine tagsüber und eine für die Nacht. Damit war das Schmerzproblem erledigt. Doch so wie alle Menschen in Rey Bouba, die ich kennen gelernt habe, glaubte er, dass mit einer „Pille“ die Schmerzen ausradiert werden könnten. Er versprach sich von Medizin in Form von einer Schmerztablette eine einfache und sofortige Heilung und Wiederherstellung seiner Gesundheit. In Rey Bouba scheint Medizin eine Art „all you can eat“ zu sein, da bei jeder Verletzung zunächst mal Tabletten eingeworfen werden und das auch noch in hoher Dosis. Es geht so weit, dass selbst die Kinder im Kinderhaus schon gegen einige Medikamente gewisse Immunitäten entwickelt haben und die Medikamente nicht mehr anschlagen. Trotzdem weigern sie sich, sich zum Beispiel ins Bett zu legen oder sich auszuruhen, wenn es ihnen schlecht geht. Sie wollen dann Medizin, um dann wieder draußen herumzutoben. Frau Scheiner versucht allerdings, die Kinder eher weniger mit Tabletten zu behandeln, um ihrer Gesundheit nicht zu schaden, sondern sie statt dessen psychologisch mit allen möglichen „Streicheleinheiten“ in Form von Gesprächen oder Ratschlägen oder Hinhaltetaktiken auf den nächsten Tag zu vertrösten. Die Kinder wollen eigentlich Zuwendung! Und dafür kommen sie mit jeder Kleinigkeit an.

Die Frage der Medizin ist aber längst nicht die einzige, in der Frau Scheiner versucht, andere Wege einzuschlagen, um den Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Selbst wenn es dabei „nur“ um die Vorbereitung für ein interreligiöses Weihnachtsfest geht, das in Rey Bouba wohl das einzige seiner Art ist. Im Kinderhaus feiern die Kinder nämlich alle zusammen Weihnachten, unabhängig davon, welcher Glaubensrichtung sie angehören. Dabei gibt es aber natürlich auch immer einige Probleme, etwa, dass die muslimischen Kinder sich die Ohren zupressen, wenn die Christenkinder die Weihnachtsgeschichte vortragen. Aber ansonsten ist das Fest für alle Kinder ein schönes und fröhliches Ereignis. Schon mehr als eine Woche vor dem Fest begannen wir, mit den Kindern Luftschlangen zu basteln, die wir dann im Refektorium, wo wir abends mit den Kindern essen wollten, aufhängten. Die Luftschlangen stellten wir aus farbigem Bastelpapier her, das wir in Streifen geschnitten und dann in ineinander greifende Kreise geklebt haben. Die so entstandenen bunten Schlangen wurden zum Teil mehr als 3 Meter lang und wurden nach der Fertigstellung dann mit Reiszwecken an der Decke des Refektoriums befestigt, um den Raum möglichst fröhlich zu gestalten. Zu den selbst gebastelten Girlanden gesellten sich danach auch noch Luftballons und 3 maschinell gefertigte Luftschlangengirlanden, die Frau Scheiner aus deutschen Fastnachtsbeständen mitgebracht hatte. Sowohl rechts, als auch links vom Eingang wurden dann noch Lamettafäden an die Bastmatten angebracht, damit auch der Eingang ein bisschen farbenfroher wurde. Allerdings haben wir die Lamettafäden noch in ihrer Papphalterung gelassen, damit sie eventuell nächstes Jahr noch einmal zu verwenden sind. Wenn ich vor einem Jahr die Lamettafäden wieder einzeln vom Tannenbaum gepflückt hätte, dann hätten mich meine Eltern wohl für verrückt erklärt, aber in Rey Bouba ist das nötig, da es so etwas dort natürlich nicht zu kaufen gibt. Die Vorbereitungen erstrecken sich aber nicht nur auf die Frage des Trinkens und der Dekoration, sondern auch auf die Frage, welches Essen wir den Gästen, von denen es voraussichtlich viele geben würde, servieren können. So wurde schon mehrere Wochen vorher besprochen, welches Essen von den ältesten Mädchen, die in der Küche helfen, und den Kochfrauen zubereitet werden soll. Die Besucher bekamen dann am Tag des Festes Kroketten, die aus zuckerigem Teig bestehen, der in Öl gebraten wird, und Popcorn serviert. Zum Trinken gab es Tee, der vorher gekühlt wurde und den Besuchern bei 30°C dementsprechend gut gefiel. Der Tag des Festes war allerdings der 26., und nicht wie bei uns der 24. Dezember. Es gab noch weitere Dinge, die anders waren, als ich es gewohnt war. Der Weihnachtsbaum war aus einer Holzplatte gesägt in der Form eines Tannenbaumes und auf dem Brett waren alle möglichen glitzernden Sachen, Girlanden, Engelshaar, Lametta und Engel angebracht und dazu Schleifen aus Restbeständen von Bändchen. Das Weihnachtsessen, das es abends, nachdem die ca. 150 Besucher uns verlassen hatten, für die Kinder gab, war ebenfalls etwas sehr Besonderes. Es gab Maisknödel und eine ganze Ziege für 30 Kinder zu essen, was natürlich nicht allzu viel Fleisch für jeden Einzelnen bedeutete, weil die Ziege Mager war, aber die Kinder waren alle mehr als glücklich über das leckere Essen. Für mich war es sehr seltsam, die Ziege zu essen, da sie während der Zeit, in der sie noch lebte, bei uns auf dem Grundstück des Kinderhauses wohnte, und zwei Wochen von den Kindern gefüttert, umsorgt und auf die trockene Weide zum Grasen ausgeführt wurde. Die Ziege kannte außerdem ihren neuen „Stall“ im Kinderhaus, denn sie strebte auf dem Rückweg zum Kinderhaus zielstrebig auf ihr „Gebiet“ hin, wo in der Tat in den 14 Tagen Pflegezeit richtiges grünes Gras wuchs. Es schien mir schon fast eine liebevolle Beziehung zu sein, die die Kinder mit dem zukünftigen Weihnachtsbraten verband. Die Intention der Kinder war allerdings lediglich, dass die Ziege besser schmeckt, wenn man sich besonders gut um sie kümmert. Dementsprechend gut wurde mit ihr umgegangen. Erst am Morgen des 26. haben wir sie zum Schlachter gebracht, um sie dann abends zu verspeisen. Ich habe sonst beim Verzehr von Fleisch eher weniger daran gedacht, welches wohl das Tier war, oder insgesamt daran, was genau ich da eigentlich esse. Doch am Weihnachtsfest war das nicht mehr möglich, denn ich erhielt zwar die besten Stücke der Ziege, doch da ich das verspeiste Tier gekannt habe war mir beim Essen ein wenig mulmig zumute. Doch die Kinder haben mit großem Appetit und großer Freude gegessen und das Fleisch genossen. Bei diesem Festessen saßen wir auch richtig am gedeckten Tisch mit Tischdecken und silbrig glänzenden Sternchen auf den Tischdecken, mit neuen Tellern und mit Tassen und mit Plastikkaraffen voller Getränke.

Doch nicht nur abends wurden Essen, Trinken und Gesellschaft genossen. Gegen 15 Uhr am Nachmittag trafen nach und nach die Gäste ein, die am Weihnachtsfest des Kinderhauses teilnehmen wollten. Der ganze Hof war umzäunt von Bänken, auf denen dennoch nicht alle der zahlreich erschienenen Gäste Platz fanden. Trotzdem war die Stimmung gut, laut und ausgelassen. Im großen Bankkreis saßen die verschiedensten Menschen, die alle entweder etwas mit Frau Scheiner, den Kindern, dem Kinderhaus oder der Christengemeinde zu tun hatten. Von ganz Jung bis zum höheren Erwachsenenalter war alles vertreten, was man sich vorstellen kann. Sogar Programm wurde dargeboten. Freundlicherweise haben sich die Kinder der christlichen Gemeinde bereiterklärt, für die Gäste und das Kinderhaus ein bisschen Musik zu machen und sie zu unterhalten. Doch dabei handelte es sich natürlich keineswegs um Stücke wie das Weihnachtsoratorium oder „Stille Nacht, Heilige Nacht“, sondern die Musik war schnell, rhythmisch begleitet von Trommelklängen und auch sonst gar nicht so, wie Weihnachtsmusik zumindest in meinem Kopf zu klingen hätte.

So ziemlich alles, was Weihnachten für mich mein bisheriges Leben lang ausgemacht hat, hat also dieses Jahr gefehlt. Die europäische winterliche Temperatur, das viel zu stressige und konsumorientierte Einkaufen, die Weihnachtsmusik und die Weihnachtskekse, das Spazieren über den Weihnachtsmarkt und noch so viele weitere Sachen standen im extremen Gegensatz zu dem, was ich in Afrika erlebt habe. Genau das hat mir allerdings auch geholfen, nicht traurig zu werden, weil ich vielleicht all diese Sachen vermisst hätte, wenn mir irgendwas das Gefühl gegeben hätte, es sei Weihnachten. Das war allerdings nicht der Fall. Es war ein Tag, an dem ein Fest gefeiert wurde, aber von Weihnachtsstimmung war nichts zu spüren. Es war trotzdem eine sehr eindrückliche Erfahrung, ein Weihnachtsfest mitzuerleben und zu gestalten, das nicht im Geringsten dem Weihnachten entsprach, das ich bisher kannte.

Doch nicht nur Weihnachten, sondern auch all die anderen Erfahrungen, die ich machen konnte, haben mir viel gebracht. Zum einen ermöglichten sie mir einen anderen Blick auf unser Leben in Deutschland, das ich jetzt nochmal ganz anders beurteile und erlebe, als vor der Reise nach Kamerun. So bin ich z.B. sehr froh darüber, wieder in einer Gesellschaft zu leben, in der einigermaßen Recht und Ordnung herrschen, und in der Korruption nicht in solch unglaublich deutlichem und sichtbarem Maße vorhanden ist, wie in Kamerun. Doch habe ich genauso gelernt, mich über jede Kleinigkeit im alltäglichen Leben zu freuen, da ich nun einen Vergleich zwischen Deutschland und Kamerun aus erster Hand ziehen kann, der mir zeigt, wie andere Menschen überleben müssen und auf welch hohem Niveau in Deutschland gemeckert wird. Gleichzeitig habe ich aber auch positive Erfahrungen machen können, wie zum Beispiel neue Bekanntschaften, die ich geschlossen habe, und Menschen und Gegenden, die ich kennen lernen durfte.Außerdem habe ich gelernt, mich schwierigen Lebenssituationen (zumindest für 3 Monate) anzupassen und mit ihnen klar zu kommen. In wie weit mich die Reise grundlegend verändert hat, das wird sich wohl erst mit der Zeit zeigen. Doch ich bin sicher, dass die Reiseerfahrungen mich mein Leben lang begleiten werden und mir in vielen Lebenssituationen von Nutzen sein werden.

Jedem, der überlegt oder die Chance dazu hat, solch eine Erfahrung zu machen, dem kann ich nur sagen: Mach es! Es sind Eindrücke und Erfahrungen, die man in Deutschland so niemals erleben kann. In eine fremde Welt einzutauchen, sie kennen zu lernen, fremde Gesichter, Geschichten und Ansichten zu sehen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, ist etwas ungemein Spannendes. Ich bestreite nicht, dass selbst die drei Monate, die ich in Kamerun verbracht habe, von Zeit zu Zeit schwer waren und meine gesamte Kraft und mein Durchhaltevermögen auf die Probe gestellt, aber gleichzeitig auch verbessert haben. Trotz aller Widrigkeiten, die es zu überstehen galt, war es auch immer wieder schön, die kleinen Erfolge mit zu erleben, auf die man hingearbeitet hat. Nicht nur dieser Teil einer solchen Reise ist, wie ich finde, für junge Menschen besonders prägend und voranbringend, sondern auch das völlige „aus der Welt sein“.

Wirklich einmal weg vom gewohnten Umfeld, von zu Hause, von den bekannten Menschen, Orten und Gesichtern, und mal wirklich in Vielem auf sich alleine gestellt. Dieser Herausforderung muss man sich vor einer solchen Reise bewusst sein und man muss sich sicher sein, dass man ihr gewachsen sein wird. Doch wenn man dieses Erlebnis wagt, und eine solche Tour übersteht, dann kann man danach auch zurückblicken und sagen: „Das habe ich geschafft“.

Ich hoffe sowohl für weitere interessierte junge Menschen, als auch für das Kinderhaus und natürlich für Frau Scheiner, dass das Praktikantenprogramm in Rey Bouba durch Frau Scheiner fortgesetzt wird, und sich Menschen finden, die bereit und willens sind, solch ein gemeinnütziges Praktikum zu absolvieren. Diesen Menschen wünsche ich alles Gute und kann, wie gesagt, jedem, der überlegt, zum Beispiel nach der Schule eine Reise ins Ausland zu machen, nur empfehlen, einen solchen Schritt zu wagen und sich selbst vor eine derartige Herausforderung zu stellen.

Wer weitere Fragen zu meinen Reiseerfahrungen hat, oder sich für ein solches Praktikum interessiert und dazu Fragen hat, dem stehe ich für die Beantwortung der selbigen gerne mit meinen Mitteln zur Verfügung. Am besten ist wohl der Kontakt über Email geeignet (hannes.salzmann@yahoo.de).