Frau Scheiner und Madame Toukour zu Besuch beim Lamido

Während ihres achtwöchigen Aufenthalts im Hohen Norden von Kamerun im Frühjahr 2023 hatte Frau Scheiner eine Audienz beim Lamido von Rey Bouba, der eine wichtige Person im politischen Leben Kameruns ist. Dabei wurde sie von der Präsidentin unseres Partnervereins AFEMDI-Maroua, Mme Fatimatou Toukour, begleitet. Frau Scheiner berichtet im Folgenden, wie sie diesen Besuch erlebt und was er bewirkt hat:  

„Meine Reisetasche ist klein, was brauche ich schon für fünf Tage in Rey Bouba? Für die Fahrt ist vorgesorgt: Wir reisen mit dem öffentlichen Bus von Maroua nach Garoua. Mme Toukour und ich werden dort von einem Auto des Lamido abgeholt und zu seinem Palast in Rey Bouby im Hohen Norden von Kamerun gebracht. Je nach Straßenzustand wird die Fahrt rund 6 Stunden dauern.

Fadimatou hat mehr Gepäck als ich: Vom Salz- und Pfefferstreuer bis hin zum Wasserkocher und Geschirr und Toilettenpapier. Im Rückblick hat uns ihr vorausschauendes Packen das Leben dort sehr erleichtert.

Eine Ehrung für Madame Toukour?

Ich hatte bereits im Dezember 2022 beim Lamido per Mail vorgesprochen und darum gebeten, dass die Arbeit von Mme Toukour von mehr als 30 Jahren für die Alphabetisierung von elternlosen Mädchen und analphabetischen Frauen eine staatliche Würdigung erfahren sollte. Dies wollte ich mit dem Lamido nun persönlich besprechen. Daher war es selbstverständlich, dass Mme Toukour mitfuhr.

Lamido mit Frau Scheiner und Mime Toukour

Lamido mit Frau Scheiner und Mme Toukour

Nach unserer Ankunft wurden wir in einem Gästehaus ohne Strom und Wasser untergebracht. Vier Tage lang ließ uns der Lamido warten, bis er uns am fünften und letzten Tag unserer Reise von einem Palastdiener rufen ließ.

Wir liefen an einer unendlichen Zahl von Bittstellern vorbei, die sich vor dem Palast aufhielten und passierten sodann den streng bewachten Eingangsbereich, wo sich die Palastgarden vor uns verbeugten. Im Besuchersaal des Palastes empfing uns der Lamido mit einer überschwänglichen Begrüßung. Er hatte sprühend gute Laune und das Gespräch kam sofort auf den Punkt.

Er erkundigte sich über die rote Telefonlinie bei dem Gouverneur der Provinz Extremer Norden, wie der Stand des Verfahrens zur Verleihung des „Ordre de Mérite Chevalier“ an Mme Toukour sei. Ich verstand nichts von dem Gespräch, denn es verlief im örtlichen Dialekt Fulfulde. Ich spürte aber, dass die Sache in unserem Sinne voran ging. Offensichtlich war das der Wind, der Mme Toukour Auftrieb gab, ihr persönliches Anliegen vorzutragen: die Zakat zum Ramadan 2023.

Essen für die Ärmsten der Armen

Der Ramadan stand kurz vor der Tür und es gehört zu den Gepflogenheiten von Mme Toukour, in ihrem Wohnbezirk mit Beginn des Ramadan und während der sechswöchigen Fastenzeit Essen an die Ärmsten der Armen zu verteilen. Nicht nur Mme Toukour war trotz aller Distanz in Rede und Gestik in ihrem Element, sondern auch der Lamido war Feuer und Flamme, sich der Bitte um die erbetene Zakat nicht zu verschließen.

Die Zakat gehört zu den fünf Säulen im Islam und gilt als Zeichen der Solidarität. Sie wird traditionell im Ramadan entrichtet. Die Zakat ist für jeden Erwachsenen und finanziell gutgestellten Muslim verpflichtend. Die Empfängergruppen werden im Koran (Sure Tawba, 9:60) genannt: u.a. die Armen und Notleidenden sowie Witwen und Waisen.

Mme Toukour mit den gespendeten Säcken mit Erdnüssen und Mais

Mme Toukour mit den gespendeten Säcken 

Das Gespräch zwischen dem Lamido und Mme Toukour kam in Fahrt und ein Palastdiener wurde hereingerufen. Der Lamido gab ihm Befehle, was zu tun sei: Es sollten insgesamt fünf Getreide- und Erdnusssäcke und ein 20 Liter Kanister Milch unsere Rückreise nach Maroua begleiten. Doch Befehle sind die eine Seite, die Umsetzung eine andere.

Kaum waren wir wieder zurück in unserem Gästedomizil als die Säcke geliefert wurden – jedoch nicht fünf, sondern nur vier. Einer blieb vermutlich auf der Strecke von knapp 300 Metern vom Palast bis zum Gästehaus liegen. Mme Toukour winkte ab, den fünften Sack zu reklamieren. Der Kanister Milch war auch dabei. Mme Toukour warf eine Handvoll Getreidekörner hinein, um zu verhindern, dass während der Rückreise die Milch durch die Hitze fermentiert. Es gab noch kleinere Geschenke wie Honig und Saft und getrocknete Früchte zum Knabbern: insgesamt ein reichhaltiges Geschenk für die armen Menschen aus dem Wohnbezirk Lopere von Maroua, wo Mme Toukour wohnt.

Transport mit Hindernissen

Die vier Säcke bekamen den Namen „Elke“ und sollten im anderweitigen Palast des Lamido in Garoua zwischengelagert werden. Sie passten aber nicht in das Auto, das uns zurück nach Garoua fahren sollte. Das Gewicht entsprach nicht den Vorgaben des Fahrzeuges: 4 x 75 kg plus wir zwei Frauen plus der Fahrer. Also wurden nur zwei Säcke verladen, die anderen blieben liegen und würden heute noch dort liegen, wenn ich sie nicht reklamiert hätte.

Ich bestand darauf, dass die letzten beiden verbliebenen Säcke während der Rückreise schier an uns klebten. Auch bei der Weiterfahrt von Garoua nach Maroua mit dem öffentlichen Bus sorgten wir beiden Frauen dafür, dass die Säcke ganz weit hinten im Gepäckraum verstaut wurden, damit sie nicht verloren gingen.

Die beiden zurückgelassenen Säcke wurden erst nach vielen Kontaktaufnahmen und Telefonaten mit dem Lamido nachgeliefert, allerdings nur in den Palast nach Garoua. Dort schliefen sie einen seligen Schlaf, bis mir die Zeit zu lang wurde. Der Ramadan stand unmittelbar bevor und die Säcke mussten aufgeteilt, das Material bearbeitet und in kleine Packungen verpackt werden. Meine Hartnäckigkeit führte schließlich dazu, dass der Lamido die Diener des Palastes in Garoua anwies, die beiden Säcke auf seine Kosten von Garoua nach Maroua zu liefern, wo wir sie dann mit dem klapprigen Auto von Mme Toukour an der Busstation abholten.

Mit vereinten Kräften 

Die Erdnüsse zu schälen war sehr zeitaufwändig

Die Erdnüsse zu schälen war mühsam und zeitaufwändig

Nun begann die eigentliche Arbeit im Häuschen von Mme Toukour, die dabei von Vereinsfrauen und Nachbarinnen tatkräftig unterstützt wurde: Die Erdnüsse wurden geschält, mit einem Stück Holz gewalkt, zum Mahlen zu einer Mühle gebracht und anschließend in Päckchen verpackt. Die Hirse und der Mais wurden auf dem Markt zu Mehl verarbeitet. Über die Getreideabfälle und Erdnusshülsen freuten sich die Ziegen des Frauenzentrums „Hirsefeld“.

Viele fleißige Frauenhände bereiteten alles bis zum Beginn des Ramadan vor. Die ganze Aktion war ein Kreislauf ohne Abfall, eine mildtätige Handlung, die im Ramadan geboten war und durch Mme Toukour und ihre Frauen umgesetzt wurde, die ein Loblied auf die Mildtätigkeit des Lamido bewirkte und die mir noch lange in Erinnerung bleiben wird.“

Elke Scheiner